Grußwort der Kantorei zur Verabschiedung von Kantor Thomas Meyer

Sehr geehrter Herr Kirchenmusikdirektor Meyer,
ich darf sagen: lieber Thomas!

Ende einer Dienstzeit, zumindest der offiziellen, die Kantorei sagt von Herzen: DANKE!
Nach gestrigem ausgelassenen Wander-Singen  heute ein dankbares Erinnern.
Ich darf heute Erinnerungen und Emotionen des Chores übermitteln und
als Kantoren-Sohn des Vorgängers im Amt ein paar eigene Gedanken dazutun.

Ob Chorgemeinschaft oder „Kantoreifamilie“, wie hat uns das gefehlt,
wie dankbar erleben wir jetzt den vorsichtigen Neustart gemeinsamen Musizierens.

„Lasset das Zagen, verbannet die Klage...“ war und ist immer wieder gemeinsames Erleben.
Die Pflege wichtiger Pirnaer Kirchenmusikalischer Tradition und Aufbruch in Neues -
BACHs Weihnachtsoratorium und Größlers Gospelmesse,
Brahms‘ DEUTSCHES REQUIEM und Hakims „Augsburger Sinfonie“,
Haydns „Schöpfung“ 2002 und Petr Ebens „Gloria“ aus der Dt. Messe, um nur weniges zu nennen,
der Bogen war und ist weit gespannt.

Schmerzlich, daß begonnene Proben zur Wiederaufführung von Honneggers „Totentanz“,
den ich 1975 zum ersten Mal in St. Marien beeindruckend erleben durfte,
in einer nie geahnten musikalischen Sprachlosigkeit der Pandemie endeten.

Großartig, daß unser Kantor trotz gravierender körperlicher Einschränkungen nach überstandenem Rückenmarks-Tumor nicht einfach „in Rente“ gegangen ist, sondern einfach nur ein Vorbild an Tapferkeit und Ausdauer in Training und Rehabilitation, das sage ich hier als Arzt ganz deutlich.
Und gerade die Aufführung des „Stabat mater“ von Dvořak haben viele als Singen für den Kantor und innigen Genesungswunsch empfunden.

„Ich würde mir wünschen, daß die Neugier der Besucher auf weniger populäre Stücke größer wäre...“, zitiert die Sächsische Zeitung KMD Meyer 2012 zwischen Advents- und Weihnachtslieder-Singen und BACHs Weihnachts-Oratorium in St. Marien.

Oder ein Blick zurück in das Hochwasserjahr 2002: Gerhard Böhm schreibt in der DNN:
„Sorgfältig erarbeitete Aufführung: Joseph Haydns „Schöpfung“ in St. Marien Pirna…
Es schien fast so, als wenn die Einwohner dieser durch die Hochwasserkatastrophe so gebeutelten Stadt mit besonderer Aufmerksamkeit der Musik und ihrer Botschaft lauschten, um neue Kraft zu schöpfen...KMD Thomas Meyer hatte seine im Metier wohlerfahrene Kantorei trotz der augenblicklichen Schwierigkeiten tadellos vorbereitet, sodaß nicht nur die unbedingte Einsatz-bereitschaft, sondern auch das Ergebnis erfreute. Die verhaltenen Berichte kamen mit inniger Anteilnahme, die dramatischen Passagen (wie z.B. „Es werde Licht“, die Fugen) nicht ohne Effekt.“

Für uns als Kantorei St. Marien und überregionaler Kirchenchor waren das Gestalten und Erleben dieser Konzerte „tiefgreifende positive Erfahrungen und persönliche Höhepunkte im Jahr“.
Die musikalische Bereicherung des Gottesdienstes war unserem Kantor – wie auch seinem Vorgänger – ein deutlich betontes Anliegen, durch eine – wenn auch kleine – aber feine sonntägliche Singe-Gemeinschaft musiziert.

Nachwuchssorgen der Sangesgemeinschaft sind das tägliche Brot des Kantors abseits der universitären Zentren. Dagegen hilft
-Vorkurrende mit den Kleinsten im Kindergarten (mit nicht immer kompatibler Elternschaft);
-Kurrende mit Musical-Aufführungen, z.B. NOAH gleich zu Beginn der Amtszeit, ein richtiges „Zugpferd“ für die Kinder;
-Gründung einer Jugendkantorei: für die 12- bis 14-jährigen NichtMehrKinder eine Brücke gebaut.

Chorreisen stärken unsere Gemeinschaft – immer wieder wurden lohnende Ziele ausgewählt:
wir denken zurück an Heynice im Isergebirge, Kloster Marienstern in der Lausitz oder
→ die unglaubliche Unterkunft in Bad Hersfeld und einen unvergeßlich-feuchtfröhlichen Abend im Gasthaus zusammen mit unseren Remscheider Partnern, dann die Paulus-Aufführungen in Remscheid und Pirna;
selbst die langen und - fast immer – unfallfreien Busfahrten wurden ein gemeinschaftsförderndes Erlebnis; schließlich nicht zu vergessen die Aufführung der Gospelmesse beim Kirchentag in Köln.

Wir können nur ahnen, welch disziplinierte und kreative Vorbereitungsarbeit inklusive Fördermittelbeschaffung etc. dies alles ermöglicht hat und sind hier ganz besonders dankbar.

Was wir aber wissen und erlebt haben, ist eine intensive, Qualität einfordernde, geduldige und nicht immer im Wohlfühlbereich angesiedelte harte Probenarbeit.
Für die einen „Blut, Schweiß und Tränen“ - andere haben die Proben (Zitat!) „immer als äußerst angenehm empfunden“.
Spätestens seit „Corona“ wissen wir, was uns das – plötzlich fehlende - Proben bedeutete!
„Mir fehlt das Singen sehr… mein „Wochen-Highlight“… „liebstes Hobby“… oder
„Ich habe die Chorgemeinschaft erlebt als Anker in unruhiger Zeit...“ oder
„eigentlich bin ich Atheist, naja, konfirmiert halt… aber der Kantor mit seiner Musik zieht mich hin zu Gott...“ ja, Soli Deo Gloria !

Was wir an Thomas Meyer besonders schätzen, gebe ich hier stichpunktartig wieder:
→ musikalische Kompetenz
→ feinen Humor, der niemals verletzte
→ freundschaftliches Verhältnis: ich persönlich schätze seine freundliche Zuverlässigkeit beim Klettern im sächsischen Fels und auf Schneeschuh-Touren in den Alpen – großartige Erlebnisse !!
→ weiterhin: geduldige Probenarbeit          
→ Einführung in die zu erarbeitenden Chorwerke
→ Arbeit an durchdachten Interpretationen … und
→ einen geradlinigen feinen Charakter.

Schließen möchte ich mit Worten des verehrten Pirnaer Kritikers Hans-Peter Altmann, die er am 22. Juni 2004 in der Sächs. Zeitung notierte: „Marienkirche – erstmals Schauplatz einer Gospelmesse:
...sowohl die rhythmische Wirksamkeit, als auch gelegentlich aufbrechendes Pathos wußten wohl zu überzeugen… Heben wir noch die dynamischen Schattierungen hervor, die Thomas Meyer abforderte...Man empfand wohl, in welch packender Weise die Kantorei sich auf völlig neues Gleis begab...“

SOLI DEO GLORIA – wir schließen mit Worten des 150. Psalms:

(aus dem Genfer Psalter 1562, vierstimmig ausgesetzt von Claude Goudimel (1514-1572), wiederentdeckt vom Schweizer Ensemble Lamaraviglia 2021)

 

Dr. Stephan Albrecht