Britta und der REPO

Statement zur Informationsveranstaltung am 21.05.2019 im DKGZ Pirna-Copitz

Hintergrund: Die Ev.-Luth. Kirchgemeinde Pirna gab als Trägerin Öffentlicher Belange eine Stellungnahme zum sogenannten Industriepark Oberelbe (IPO) ab. Darin wies der Kirchenvorstand insbesondere auf die Nähe zum Pirnaer Friedhof hin. Die heutige Veranstaltung sehen wir als Kommunikationsplattform, um über die festen Regeln eines Genehmigungsverfahrens hinaus unsere grundsätzliche Position zum IPO öffentlich zu machen. Ich habe dazu die Form einer fiktiven Verabschiedungsrede gewählt und lade Sie ein, mir in das Jahr 2038 zu folgen.

Rede: Liebe Britta,

Dein heutiger Eintritt in den Ruhestand ist Anlass für diesen Rückblick:

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Größtes Abenteuer Deines Berufslebens war der Sprung in die Selbstständigkeit. Damals vor fast zwanzig Jahren hast du viele überrascht, in gesetztem Alter noch einmal Neuland zu betreten. Das geschah nicht blauäugig aus einer Laune heraus, vielmehr entschiedest Du Dich nach klarer Abwägung von Chancen und Risiken für die Chancen – pro REPO. Dieser „Recherche- und Entwicklerpark Oberelbe“ nutzt alte Industriebrachen und war die Antwort auf den nicht realisierten Versuch eines IPO. Hier konntest Du genau das umsetzen, was Dir schon bei Deiner Studienwahl vorschwebte: Ökonomie und Ökologie unter einen Hut zu bringen, oder biblisch ausgedrückt: Gottes Auftrag an die Menschen auszuführen, der lautet: Seinen Garten Eden zu bebauen und zu bewahren. Wohlgemerkt: Es heißt „bebauen und bewahren“, denn ohne Bebauen gibt es keinen Lebensunterhalt, und ohne Bewahren keine Lebensgrundlage. Wir haben nun mal keine zweite Erde parat, um uns ungebremsten Flächenfraß (wie beim alten IPO einkalkuliert) leisten zu können.

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Blicken wir zurück auf Deine Tätigkeit im REPO als Beraterin von Startup-Firmen, die inzwischen dank Deiner Begleitung den Kinderschuhen entwachsen sind. Sicher wird Dir die tägliche Anfahrt zu Deinen Partnern künftig fehlen, vor allem die Fahrt mit dem „Uhrpendel-Express“, das ist die neue Bahnstrecke von Königstein über Pirna nach Glashütte (welches sich dem Zweckverband angeschlossen hat). Mit Anbindung der klassischen S-Bahn sind alle ehemaligen Brachflächen verkehrsmäßig gut erreichbar, sogar für den Gütertransport. - Bei schönem Wetter konnten wir Deine Fitness auf der Radschnelltrasse bestaunen.

Vielseitig wie Du sind Deine Geschäftspartner. Da gibt es

  • die „Photoristen“, die denken sich neue Werkstoffe aus, die mit Licht oder biologisch abbaubar sind,
  • die Schwarmspeicherer, die mit moderner Energiespeichertechnologie herkömmliche Kraftwerke ersetzen, und
  • die Brennstoffzellentwickler. Sie haben als Domizil – wie sollte es für Energetiker anders sein- die Elbtalzentrale gewählt.
  • In den historischen Mauern der Heidenauer Maschinenfabrik kommen das moderne Prüflabor und die Fertigung so richtig zur Geltung. Sie alle können sich vor Aufträgen kaum retten, und das spült richtig Geld auch in die Gemeindekassen.
  • Kohle machen – das funktioniert sogar im Wortsinn bei der Herstellung von Pflanzenkohle direkt aus atmosphärischem CO2. Die „Pflanzenköhler“ durften als einzige auf die ehemals für den IPO vorgesehenen Agrarflächen, denn ihre Kohle dient der Bodenverbesserung in der Landwirtschaft und versiegelt auch keine Fläche. Eine Augenweide sind die Blühstreifen zu beiden Seiten entlang des Autobahnzubringers, an denen die deutschlandweite Imkerausbildung stattfindet.
  • Dein Lieblingsort der Bahnhof Heidenau – das Schmuckstück von Empfangsgebäude ist nun Co-working- und Co-living-Space. Zum Beispiel werden hier Verkehrslösungen der Zukunft digital ausgetüftelt ausprobiert, und ganz nebenbei in den Arbeitspausen kochen die Leute am besten von allen Neugründern. Denen geht es ja nicht ums Geldverdienen als alleinigem Lebensinhalt – oder hättest Du Dir gewünscht, ein Berufsleben an der verlängerten Werkbank Dresdens zu verbringen?

Das Markenzeichen des REPO ist die Kleinteiligkeit, Schritt für Schritt entstanden aus vielfältigen gewachsenen Strukturen. Noch heute kann man den damaligen Bürgermeistern und neu gewählten Stadträten zu ihrer weitsichtigen Entscheidung gratulieren, die Reißleine zu ziehen und gerade noch rechtzeitig auf vorhandene Industriebrachen umzuschwenken. Deshalb ist heute niemand abhängig von der Gnade einzelner Großinvestoren, die die Fördermillionen -also unser aller Steuergelder- abgreifen und wie Heuschrecken weiterziehen, wenn die Rendite im Keller ist. Dagegen bleibt im REPO durch die Mischung aus Ausbildung, Entwicklung und Herstellung die Wertschöpfungskette weitgehend vor Ort.

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Du machst nun einen Arbeitsraum im REPO frei…Womit man einen Nachfolger locken könnte? Hier ist ein Ort zum Ausprobieren, die REPO-Leute regen sich gegenseitig zu neuen Ideen an, und es darf auch mal eine scheitern. Eine gute Mischung aus Hiesigen und Zugezogenen, Experten und Lernenden schafft eine angenehme Atmosphäre, die sich gleich in der Nachbarschaft in neuen Wohnformen fortsetzt (vielleicht ist ja für Dich als Seniorin was dabei). Zudem setzen die Verbandsgemeinden das Prinzip „Grüne Stadt“ um mit fast Drei Viertel Grünflächenanteil. Betonwüsten wie der Pirnaer Busbahnhof sind kaum wiederzuerkennen. Das ehemalige IPO-Planungbüro hat den Bundes-Entsiegelungspreis bekommen und baut auf diesem Gebiet ein neues Standbein auf. Keine Frage –Touristen kommen gezielt in den REPO, und die Steuereinnahmen reichen für Kulturzentrum, Schulspeisung und noch viel mehr.

Ach so, falls Du mich irgendwann mal auf dem Friedhof besuchen kommen musst: Da kommst Du nun sogar mit Rollator hin, wir haben doch hier Shared space.

Fazit: Der Einsatz für Alternativen zum alten IPO hat sich für ALLE Beteiligte wirklich gelohnt, Du kannst stolz sein auf Dein Lebenswerk.

Burkhard Huth