An(ge)dacht

Liebe Gemeinde,

Ein Stillleben auf meinen Schreibtisch: Etwas ramponiert sehen die Gesangbücher aus und die Tastatur muss ich auch wieder mal putzen. Dinge, die benutzt werden, haben eben Benutzungsspuren und das ist auch in Ordnung so. Was für ein großartiger Schatz ist das, miteinander zu singen und zu musizieren! Beides hat seinen festen Platz im Leben unserer Gemein­den. Ob im Gottesdienst, im Seniorenheim, in der Christenlehre, der Kantorei oder auf der Jugendrüstzeit. Gemeinsames Singen verbindet, befreit und macht Freude.

Dafür gibt es einen riesigen Schatz an Liedern, die unseren Glauben ausdrücken. Der eine mag die alten Choräle, die seit Jahrhunderten Menschen durch Freud und Leid begleitet haben, „Befiehl du deine Wege“, „Geh aus, mein Herz“ oder „So nimm denn meine Hände“. Diese Lieder sind oftmals mit eigenen Lebenssituationen verbunden, wecken Erinnerungen und können auswendig gesungen werden. Ein anderer braucht die neueren Lieder „Bewahre uns, Gott“ oder „Segne uns, o Herr“. Ein dritter mag Lobpreislieder oder Lieder, die er sich vom letzten Kirchentag mitgebracht hat. Die Fülle ist fast unermesslich und das ist nicht erst seit heute so. Wir feiern in diesem Jahr 500 Jahre Evangelisches Gesangbuch. Aus diesem Anlass ist sogar eine Briefmarke herausgegeben worden. Das erste evangelische Gesangbuch, das 1524 erschien, war eher ein Liedheft – mit 8 Liedern auf 12 Seiten. Doch die neuen evangelischen Lieder verbreiteten sich nicht nur durch die neue Buchdrucktechnik Gutenbergs, sondern genauso einfach von Mund zu Mund. Man sang die Lieder auswendig.

Der Schatz an Liedern wuchs. Seit der Reformation sind schätzungsweise 100.000 geistliche Lieder in deutscher Sprache entstanden, von denen etwa 30.000 Einzug in die Gesangbücher der vergangenen Jahrhunderte hielten. Im Gesangbucharchiv Mainz befinden sich derzeit ca. 7.800 vornehmlich deutschsprachige Gesangbücher vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart, und das sind gewiss nicht alle.

In den Gesangbuchtexten begegnet uns die Glaubenserfahrung vieler Generationen in konzentrierter und zugleich poetischer Art. Durch das wiederholte Singen prägen sich die Worte und die Melodie immer tiefer ein. Lieder mit guten Texten kann ich immer wieder singen und entdecke dabei immer wieder ein­ mal etwas Neues.

Lieder wollen gesungen sein. Doch es ist auch gut, sich einmal über Gesangbuchlieder auszutauschen. So habe ich das in den Gemeindekreisen im vergangenen Monat getan. Die Meinungen und Erfahrungen waren vielfältig. Wichtig war immer wieder, dass die Lieder gut sing­ bare Melodien haben und eine verständliche Sprache. Aber auch Lieder, an denen man sich etwas reibt, sind wichtig, wie etwa „Du bist vorbeigegangen“ von Huub Oosterhuis. Unsere Sprache, unser Denken, unsere Welt verändern sich. Das betrifft auch das Gesangbuch und so ist es gut, dass zu dem 1993 in unserer Landeskirche eingeführten Evangelischen Gesangbuch inzwischen verschiedene Ergänzungen getreten sind wie „Singt von Hoffnung“ und spezielle Liederbücher für Taufe, Trauung und Beerdigung.

Seit dem Jahr 2020 arbeitet übrigens eine Gesangbuchkommission an einem neuen Evangelischen Gesangbuch, das erstmals auch mit einer digitalen Plattform erscheinen soll, die frei zugänglich ist und viele Funktionen anbietet, auch für musikalische Laien, die einfach nur gerne singen. Dafür werden Lieder ja auch komponiert und Texte geschrieben, damit sie benutzt werden und denjenigen für ihr Leben und ihren Glauben von Nutzen sind, die sie singen.

Pfarrer Burkhard Nitzsche

Du bist vorbeigegangen,
Stichflamme in der Nacht,
ein Funken hat dein Name
Herzaugen uns entfacht.
In Fetzen hängt dein Wort um unsre alte Welt,
wir leben in dir fort, so bist du unser Kleid.

Monatsspruch Juli

Du sollst dich nicht
der Mehrheit anschließen,
wenn sie im Unrecht ist.

2.Mose 23,2

 

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